Duisburger Organisationen von zugewanderten Menschen: ZIUMA e.V.
Wir starten unsere Reihe zu Duisburger Migrantenorganisationen mit einem Portrait des Vereins Ziuma e.V.
Foto: Mitwirkende des Vereins; unter ihnen Ipek Gedik (1. Reihe (sitzend), 2 v. l.), Leyla Altin (4. v.l.) und Tatjana Jakubowski (Mitte, 2. Reihe)
Unsere Verabredung für ein Interview mit Ipek Gedik vom ZIUMA-Vorstand ist um zehn Uhr morgens. Ihr Büro teilt sich die Sozialwissenschaftlerin mit ihrer Kollegin Tatjana Jakubowski. Die beiden Frauen sind schon seit Gründung des Vereins dabei und haben zu dieser Uhrzeit bereits alle Hände voll zu tun. Zum Lesen der Mail, die die Interviewerin noch kurz vor dem Termin sandte, hatte Ipek Gedik noch keine Zeit.
ZIUMA e.V. steht für „Zentrum für Integrations- und Migrationsarbeit“. Der Verein ist Träger von Bildungsmaßnahmen und anerkannter Träger der freien Jugendhilfe – mit dem Fokus Integration und Migration. ZIUMA ist Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, ihre Geschäftsräume befinden sich im Gebäudekomplex des Paritätischen, auf der Musfeldstraße in Duisburg-Hochfeld.
Die Idee zur Gründung eines Vereins im Bereich der Sozialen Arbeit und Integration stammt von Leyla Altekin. Sie hat ZIUMA e.V. 2010 gegründet und ist seine Geschäftsführerin. Sie war die Wegbereiterin. Ihre Wegbegleiterinnen Ipek Gedik und Tatjana Jakubowski bezog sie allmählich in die Vereinsarbeit ein. ZIUMA e.V. – ein Verein, von Frauen gegründet und auch heute in Frauenhand. So könnte man es sagen. Mit der Zeit kamen neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter hinzu. Während anfangs alle ehrenamtlich arbeiteten, beschäftigt der Verein heute 30 Angestellte und 20 Honorarkräfte.
Trotz anfänglicher Skepsis: „Dinge liefen besser als gedacht“
Vereinsarbeit kannte Ipek Gedik schon aus der Zeit des von ihr mit gegründeten freien Theaters Zagor. Damals blieb die Verwaltungsarbeit meistens an ihr hängen. Daher war sie anfangs eher skeptisch und wollte den neuen Verein, der ZIUMA heißen sollte, nur punktuell, von außen unterstützen. Doch die Dinge liefen besser als gedacht und bald konnte sich Ipek Gedik von ihrem Arbeitgeber verabschieden, um bei ZIUMA anzufangen. Heute ist sie Mitglied im 7köpfigen Vorstand von ZIUMA e.V. und Leiterin des Bereichs Flucht und Migration.
Leyla Altekin’s Intention war es, eine professionelle Organisation mit fachlich qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schaffen, um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu unterstützen, zu fördern und ihnen Perspektiven zu ermöglichen. Und dabei gute Arbeit zu leisten. Allem Anschein nach, ist dies gelungen. ZIUMA hat sich in den sieben, acht Jahren seines Bestehens einen festen Platz unter den sogenannten „Migrantenorganisationen“ (MO) in Duisburg erobert. Und sie ist eine der MO’s, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind, gemeinsam mit den großen Wohlfahrtsverbänden. Die Flüchtlingsunterkunft auf der Memelstraße und ein Wohnkomplex im Duisburger Süden wird – neben anderen Trägern – auch von ZIUMA betreut.
„Die Arbeit, die wir auf diesem Gebiet geleistet haben, die ist schon herausragend,“ sagt Ipek Gedik, selbstbewusst. Zu den „Umsetzern“ des Kooperationsvertrags zwischen der Stadt Duisburg und der Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrtsverbände gehört auch Ziuma. Doch das kam nicht von ungefähr. „Das hat viel damit zu tun, was wir an Arbeit im Vorfeld geleistet haben – im Bildungs- und Erziehungsbereich“ erläutert Gedik. Es war eine gute Arbeit, die allseits Anerkennung fand. Und aufgrund ihres „Alleinstellungsmerkmals im Migrationsbereich“ – so Ipek Gedik – gewann ZIUMA e.V. viel Aufmerksamkeit in Duisburg. Natürlich ist Migrationsarbeit tagtägliches Geschäft aller Wohlfahrtsverbände, doch eine Organisation speziell für Integrations- und Migrationsarbeit zu sein – das unterscheidet ZIUMA.
Vielfalt – auch unter den Mitarbeitenden
Sowohl die Mitarbeitenden als auch die Mitglieder im Vorstand sind hinsichtlich ihrer Herkunft vielfältig. Das zeichnet ZIUMA ebenfalls aus und darauf legen die Vereinsverantwortlichen großen Wert. Im Sprachjargon des Vereins heißt das: „Multiethnisch zusammengesetzt“. Dabei sind die meisten Duisburgerinnen und Duisburger. Und „multiethnisch sozialisiert“, fügt Ipek Gedik hinzu.
Gemeinsames Ziel ist es, den Integrationsprozess in Duisburg mitzugestalten – vor allem im Bereich Bildung und Erziehung. Denn hier liegen ihre Stärken.
Begonnen hat ZIUMA im Jahr 2010 mit einer Online-Bildungsberatung. Recht schnell zeigte sich dabei der Bedarf an Nachhilfe für Schülerinnen und Schüler. Mit Studenten aus dem Team wurden daher erste Lernförderungen für Grundschüler organisiert – zunächst im Medienzentrum auf der Falkstraße in Duissern. „Das konnten wir bieten, von den Ressourcen her“, sagt Tatjana Jakubowski. Sie ist zuständig für Finanzen und Verwaltung. Das außerschulische Förderangebot wird heute in Kooperation mit drei Schulen in Meiderich, Rheinhausen und Marxloh umgesetzt. Es gab Zeiten, in denen der Verein mit bis zu 11 Schulen arbeitete – im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets.
Die gute Resonanz spornte zu neuen Ideen an, die zügig umgesetzt werden konnten. Hilfreich auf diesem Weg war die gute Vernetzung des ZIUMA-Teams – vor allem durch Ipek Gedik. Sie war in der Duisburger Akteursszene bereits bekannt. Das Netz an Kontakten weiter zu knüpfen, Kooperationspartner zu finden und in einem gegenseitigen Prozess von Geben und Nehmen Neues anzugehen, fiel nicht schwer. „Je mehr Kontakte aufgebaut werden, umso mehr Ideen bekommt man und umso mehr Realisierungsmöglichkeiten ergeben sich“, weiß Gedik. Heute stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem regen Informationsaustausch mit der Stadt, sind in wichtigen Gremien vertreten und erfreuen sich einer guten Zusammenarbeit mit städtischen und kommunalen Akteuren.
Gute Vernetzung und viele Kooperationspartner
Vor allem mit dem Jugendamt besteht eine gute Kooperationspartnerschaft. Viele kleine Projektaufträge im Rahmen des Kinder- und Jugendschutz-Aktionsprogramms konnten umgesetzt werden, und auch im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. In 2013 konnte eine Vereinbarung zu ambulanten Erziehungshilfen mit dem Jugendamt ausgehandelt werden.
Im Rahmen der Flüchtlingsarbeit hat sich eine enge Kooperation mit dem Amt für Soziales und Wohnen entwickelt. Projektbezogen arbeitet ZIUMA mit dem Kommunalen Integrationszentrum zusammen sowie mit Stiftungen und weiteren Institutionen.
Die Arbeit mit „Neubürgern“, also neu zugewanderten Menschen, und hier besonders mit Flüchtlingen, bildet einen der Schwerpunkte der Angebote und Leistungen von ZIUMA. „Wir bieten eher wenige spezielle Angebote für Flüchtlinge an, sondern versuchen sie in vorhandene Regelangebote einzubinden“, erzählt Gedik. Nur für geflüchtete Frauen gibt es in Homberg ein eigenes Angebot. Ein Frauenfrühstück einmal in der Woche. „Es ist entstanden aus einem monatlichen Treffen für Frauen in Homberg, die bereits länger hier leben und neuzugewanderten Frauen. Der Bedarf an spezifischen Themen z.B. aus dem Bereich des Aufenthalts- oder Asylrechts oder der Familienzusammenführung veranlasste uns jedoch dazu, einen Treff speziell für geflüchtete Frauen anzubieten“. Außerdem gibt es einen Alphabetisierungskurs und einen niederschwelligen Deutschkurs im Duisburger Süden und in Homberg – für diejenigen, die noch keinen Kursplatz haben.
Ipek Gediks Handy summt und vibriert leise während des ganzen Gesprächs, eine Kollegin kommt und überreicht eine Notiz – doch meine Interviewpartnerin bleibt konzentriert. Gleich geht’s weiter, nachdem sie sich ein Glas Wasser geholt hat. Kein Wunder, wenn man so viel zu erzählen hat. „Dabei spreche ich eigentlich gar nicht so viel“, sagt sie fast entschuldigend. Doch jetzt ist die Gelegenheit dazu da, die Gesprächspartnerin hört erwartungsvoll und geduldig zu.
Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Als Träger der freien Jugendhilfe bietet ZIUMA e.V. ambulante und stationäre Hilfen an. Dazu gehören sowohl vorbeugende Maßnahmen für Kinder, Jugendliche und deren Familien als auch Maßnahmen in Krisensituationen. An zwei Standorten in Duisburg betreut ZIUMA 22 Jugendliche im Rahmen von „Sozialpädagogisch betreutes Wohnen“. Vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wohnen in den von der Organisation angemieteten Wohnräumen. Die Jugendlichen werden von Fachkräften im Alltag unterstützt und begleitet. „Die Auflagen zur Durchführung solcher Maßnahmen sind sehr streng“, berichtet Ipek Gedik. ZIUMA konnte diese Auflagen erfüllen. Finanziert wird die Maßnahme über das Duisburger Jugendamt, die Aufsicht hat das Landesjugendamt.
Respekt ist immer herauszuhören, wenn Ipek Gedik über die Menschen spricht, mit denen ihr Verein arbeitet. „Wir können nicht alle Jugendlichen unter einen Hut stecken“, sagt sie beispielsweise als das Gespräch zu bestehenden Rollenmustern von Jugendlichen führt. „Gerade wir sind da ja sehr sensibel“. Stimmt. Vor mir sitzt eine Akteurin, die selbst aus einer eingewanderten Familie stammt. Mit allen Erfahrungen, die dazu gehören. Und mit viel Reflexionsarbeit hinter sich.
Auf „tolle Rückmeldungen“ stieß ein Projekt mit einer Gruppe von Jugendlichen, das ZIUMA gemeinsam mit der Caritas durchführte. Zu den Jugendlichen aus geflüchteten Familien herrschte bereits ein gutes Vertrauensverhältnis, man kannte sie aus der Arbeit in den Flüchtlingsheimen. Ein halbes Jahr lang nahmen die 15- bis 25jährigen Mädchen und Jungen an Workshops teil und setzten sich mit dem eigenen Rollenverständnis, den eigenen Erwartungen und den in Deutschland vorherrschenden Rollenbildern auseinander. „Es waren interessante Gespräche“, erinnert sich Ipek Gedik. „Während die meisten Mädchen Partnerschaft erwarten, zeigen manche junge Männer doch eher ein traditionelles Verständnis von der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau“. Äußerst interessant sei es jedoch gewesen, zu sehen, dass es im Verlauf des Projekts zu Änderungen in den Vorstellungen mancher Männer kam. Veränderungen – ein anderer Begriff dafür: Lernprozesse. Sie sind also möglich – gerade bei jungen Menschen.
Diesterwegstipendium: Förderung von Kindern mit Potential
Ein wichtiges Projekt, über das Gedik nicht ohne Stolz berichtet, ist das Diesterwegstipendium. Ziuma e.V. ist Projektträger und für die Umsetzung und Koordination zuständig. Ziel dieses Stipendiums ist die Förderung von Kindern mit Potential, die aus verschiedenen Gründen dieses Potential nicht entfalten können. Auch die Familien sind bei diesem Programm eingebunden. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt hat das Stipendium entwickelt, finanziert wird das Diesterweg-Stipendium in Duisburg von der Franz-W. Aumund-Stiftung und der Stiftung Zukunft – Familie Simon. Auf ZIUMA aufmerksam geworden war man, als nach einem Umsetzer in Duisburg gesucht wurde.
Das Projekt ist mittlerweile im zweiten Durchlauf und fördert Kinder an Grundschulen in Homberg und Ruhrort im Übergang zur weiterführenden Schule. „Sie sollen auf gute Schulen kommen“, sagt Ipek Gedik. „Wir sind der Überzeugung, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen, aber nicht alle genug Ressourcen mitbringen.“
Ein ähnliches Projekt startete ZIUMA inzwischen auch mit Schulen in Marxloh. Lehrer aus dem Stadtteil seien an sie herangetreten und klagten darüber, dass an ihren Schulen seit Jahren keine Gymnasialempfehlung mehr ausgesprochen würde. Und auch sei es schwer, an die Eltern heranzukommen.
Regionalpartner des Modellprojekts „Eltern mischen mit“
Der Dialog mit den Eltern stellt Schulen immer wieder vor große Herausforderungen. Auf diesem Gebiet ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Auch wissen viele Eltern nicht von den Möglichkeiten der Mitwirkung an Schulen. „Elternarbeit“ ist das Stichwort, das uns zu einem landesweiten Modellprojekt führt, bei dem ZIUMA einer von drei Regionalpartnern ist. „Eltern mischen mit“ heißt das Projekt, das in Dortmund, Wuppertal, und Duisburg läuft und vom Elternnetzwerk NRW koordiniert und geleitet wird. Eltern werden zu Moderatoren ausbildet, die wiederum andere Eltern über das Bildungssystem und die Mitwirkungsrechte an Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführende Schulen aufklären und zur Teilnahme motivieren. Die Fortbildungen sind inzwischen abgeschlossen, 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren angemeldet, 16 sind bis zum Schluss geblieben und wurden Ende 2017 zertifiziert. „Es wäre gut, wenn der Einsatz der Elternmoderatoren, die jetzt an Schulen Vorträge halten und Eltern informieren, finanziell unterstützt würde“, meint Ipek Gedik. Ihre Organisation bereitet gerade ein Treffen möglicher Unterstützer vor – auch aus dem Kreis der MO’s und Familienzentren.
Ziuma e.V. – gut verankert in der Duisburger Akteursszene
Es ist beachtlich, wie sich der Verein im Bereich der Sozialen und Integrationsarbeit Schritt für Schritt entwickelt und sich einen Namen gemacht hat. Dabei hatten sie mit fragenden und kritischen Blicken zu Beginn der Vereinstätigkeit durchaus zu kämpfen, erinnert sich Ipek Gedik. Durch gute, professionelle Arbeit und einem unermüdlichen Engagement ist die Verankerung in der Duisburger Akteursszene gut gelungen. Hilfreich scheint es gewesen zu sein, dass das Potential von ZIUMA e.V. und den „Macherinnen“ frühzeitig „entdeckt“ und durch Empfehlungen und Kooperationen tatkräftig gefördert wurde.
An Ideen und neuen Projekten für die Zukunft mangelt es den ZIUMA- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht. Ein Vorhaben verrät Ipek Gedik: Eine Fachtagung zum Thema Integration. Das sei in Planung. Schließlich möchte sich ZIUMA e.V. auch im wissenschaftlichen Bereich profilieren. Neben Beratung, Bildung und Erziehung soll auch „Forschung“ zum Standbein des Vereins werden.
Es bleibt viel zu tun für die engagierten Duisburgerinnen und Duisburger bei ZIUMA e.V. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass das Zeitfenster für das Gespräch längst überschritten ist. Es ist Zeit, sich bei meiner Interviewpartnerin zu bedanken, die sich noch vergewissert, ob die Informationen denn ausreichten. Ich kann sie beruhigen. Beeindruckt vom Engagement und dem Erfolg dieses doch recht jungen Vereins verabschiede ich mich.
http://www.ziuma.de/ (Öffnet in einem neuen Tab)
Aynur Koc
10. März 2018