Archäologen legen alte Farb-Fabrik frei

Im Dellviertel ist derzeit wohl Duisburgs ungewöhnlichste B(l)austelle. An der Mercatorstraße, wo demnächst die neue Feuerwache entsteht, graben und dokumentieren noch die Archäologen. Und die erleben ihr blaues Wunder...

Nicht im Blaumann aber immerhin mit blauen Helmen stehen Bauarbeiter inmitten alter Gemäuer im Dellviertel. Es sind die Überreste der früheren Ultramarinfabrik des berühmten Duisburger Industriellen Julius Curtius (1818-1885). Ab 1848 wurde hier in der Stadtmitte der blaue Farbestoff synthetisch hergestellt. Wie das ging, ist immer noch geheimnisvoll. Für Duisburg war die Entwicklung auf jeden Fall ein industrieller Meilenstein. Denn echtes Ultramarin, gewonnen aus Lapislazuli, war extrem teuer, musste aufwändig von jenseits des Mittelmeers nach Europa verschifft werden. Für Curtius war die Fabrik somit eine Goldgrube.

Archäologe Felix Jasiak von der Kölner Firma ABS leitet die Ausgrabungen

Heute ist sie vor allem eine Baugrube. 1942 zerstörte ein Luftangriff die Produktionsanlagen. Nach dem Wiederaufbau wurde dort immerhin noch bis 1961 Ultramarin hergestellt, als Zweigbetrieb der Vereinigten Ultramarinfabriken Köln. Die Überbleibsel der Farbe sind auch Jahrzehnte später noch allgegenwärtig, blaues Pulver überzieht die Backsteine, färbt die Kleidung der Arbeiter. „Wenn es regnet, sehen wir manchmal aus wie Schlümpfe“, schmunzelt Felix Jasiak. Er ist Grabungsleiter der Firma ABS aus Köln, die im Auftrag der Stadt das Bodendenkmal analysiert.

Dr. Marius Kröner von der Stadtarchäologie kann aber beruhigen: „Es wurden natürlich vorher Proben gezogen. Das Ultramarin hat keine gesundheitsschädliche Wirkung.“ Dr. Kröner ist begeistert von der blauen Baulagune: „Dass auf einer Ausgrabungsstelle alles blau ist, kriegt man in der Archäologie sonst auch nicht zu sehen. Das ist einmalig.“

Mit Bagger und Schaufel legen die Archäologen die Fundamente frei.

Im Vorfeld hat er viel zur Historie der Fabrik recherchiert und weiß: „Ein Großteil der Rohstoffe, wie etwa Soda, Schwefelsäure oder Kohle, konnte aus unmittelbarer Nähe bezogen werden. Diese farbechten Pigmente wurden vorwiegend in der Textilindustrie und Malerei eingesetzt.“ Für den Archäologen hat die Ausgrabungsstelle Seltenheitswert: „Es gab nur 19 Ultramarinfabriken im deutschsprachigen Raum. Das hier ist die erste und einzige, die in diesem Umfang ausgegraben worden ist. Und dass so viel noch erhalten ist, freut uns natürlich.“

Dr. Marius Kröner von der Stadtarchäologie hat alte Pläne der Fabrik studiert.

Hoffen auf neue Erkenntnisse

Dr. Kröner erhofft sich dadurch neue Informationen über die Entwicklung der Ultramarinfabrik. Zwar liegt dem Stadtarchiv ein detaillierter Grundrissplan von 1869 vor, aber das letzte Dokument stammt aus 1956: „Der hierzu vorliegende Gebäudeplan benennt die einzelnen Gebäudetrakte, sodass hier sich auch die Vielfalt der Arbeitsbereiche darstellt, von Laboren, Aufenthaltsräume und Werkstätten über Sieberei, Schlemmerei, Lager und Mühlen bis hin zu Ofenhäusern, Kamine und Verwaltungsgebäude.“

Jasiak und sein Team nutzen nun neuste Technik wir hochauflösende Drohnenbilder und „wir erfassen das Baudenkmal auch mit einem Laser-Scan und erzeugen so ein dreidimensionales Objekt“. In Zusammenarbeit mit der neugegründeten Stabstelle BIM (Building Information Modelling) der Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) wurden die archäologischen Funde im Rahmen einer 3D-Bestandserfassung aufgenommen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik zerstört. Diese Aufnahme datiert vom 20. Dezember 1942.

Zusätzlich wird das Grundstück durch Drohnenaufnahmen erfasst und dient als weitere Grundlage zur archäologischen Untersuchung. Ziel ist es, die Duisburger Stadtgeschichte nachhaltig zu digitalisieren und die Untersuchung vor Ort für das gesamte Projektteam effizienter zu gestalten.

Für die Nachwelt erhalten bleiben auch kleinere Funde wie Keramik-Tiegel und ein eisernes Schwungrad. Sie gehen ins Archiv der Stadtarchäologie.

Erst nach Abschluss der archäologischen Feldforschung wird die vorhandene Substanz auf der Ex-Brache zurückgebaut und das Kellergeschoss der Feuerwehr in Angriff genommen. Blau leuchtet an der Mercatorstraße dann später nur noch das Warnlicht der Einsatzfahrzeuge.

Aus der Luft wird die Dimension der Baustelle erst richtig erkennbar.

Wissen Sie mehr?

Haben Sie noch Informationen oder alte Fotos von der früheren Ultramarinfabrik oder haben Sie sogar in den letzten Jahren des Bestehens dort gearbeitet? Dann melden Sie sich doch unter kommunikationstadt-duisburgde. Wir freuen uns über Ihre Berichte!